Quelle: Archäologie Baselland
Rekonstruktion der ersten frühmittelalterlichen Kirche (Phase 3), Ansicht von Südwesten und Südosten.
Das quadratische spätrömische "Kirchenschiff" ist in dieser Zeit bereits 250 Jahre alt. Nur der kleine Chorbau ist neu.
Ein spätrömisches Heiligtum
Das erste gut fassbare Gebäude auf dem Sporn des Oberwiler Vorderbergs ist ein freistehender quadratischer Bau. Er wird in der Zeit um 400 n. Chr. errichtet, also am Ende der Römerzeit.
Aufgrund der Lage und des Bautyps ist der Bau wohl als Heiligtum zu interpretieren - ob als heidnischer, so genannt gallo-römischer Vierecktempel, oder bereits als christlicher Kultbau, ist schwer zu sagen.
Aus jüngeren Schuttschichten stammt das Fragment eines Bleisarkophages, und in der der Südostecke des Gebäudes liegt eine später ausgeräumte Grube in Form einer Grabkammer. Dies sind Indizien dafür, dass hier eine wichtige Persönlichkeit bestattet war. Aufgrund der Zeitstellung könnte der Bau bereits christlich gewesen sein: Seit 380 n. Chr. ist das Christentum zumindest offiziell alleinige römische Staatsreligion.
Das Stück eines Bleisarkophages wurde nachträglich als Gewicht zurecht geschnitten. Es weist auf ein bedeutendes spätrömisches Grab hin. Dieses könnte sich in der grabförmigen Grube des spätrömischen Baus befunden haben. Länge 24 cm, Gewicht über 4 kg.
Erste Kirche oder Grabkapelle?
Das erste Kirchlein ist so klein, dass sich die Frage stellt, ob es schon als Kultraum einer ganzen Gemeinde diente. Nach Ausweis der vielen Steinplattengräber im Inneren, die jeweils mehrmals verwendet wurden, ist es vielleicht eher eine Grablege für eine oder mehrere wichtige Familien des Tals.
Solche "Eigenkirchen" sind damals üblich. Erst im 8. Jahrhundert (Phase 4) wird das Kirchenschiff vergrössert. Dies und die Einrichtung eines Taufsteins könnten den Nutzungswandel zur eigentlichen Kirche für eine grössere Gemeinde anzeigen. Das entspricht einem allgemeinen Trend der Zeit, wie ihn unter anderem Reformen der Karolinger anstrebten.
Spätrömische Münzen, gefunden im Planierschutt unter dem ältesten Lehmboden der Bauphase 2: Kleinbronzen Constantins I., geprägt in Ticinum (Pavia) 334 n. Chr. und in Heaclea (Süditalien) 330-333 n. Chr.
Eine römische Grundherrenfamilie
Die beeindruckende, bis in die Römerzeit zurückreichende Kontinuität lässt vermuten, dass im Frühmittelalter noch dieselbe alteingesessene Familie gallorömischer Grundbesitzer das Sagen hat, die schon den spätrömischen Bau errichten liess. Dies wäre in der Region kein Einzelfall: Zentrale Talschaften bleiben über die Römerzeit hinaus von Gallorömern bewohnt. Erst ab 550 n. Chr. mehren sich Hinweise, dass neue Personen vornehmlich aus dem Oberrheintal hinzukommen - zuerst solche aus dem fränkischen Raum, ab 600 n. Chr. allmählich auch Alamannen.
Die eiserne, mit eingelegten Silber- und Messingdrähten verzierte Gürtelschnalle stammt aus dem reichsten Frauengrab. Die Gürtelmode weist auf Beziehungen zum burgundisch-romanischen Westen. Länge 16 cm, um 600/670 n. Chr.